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Servicestelle Chancengleichheit

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Chancengleichheit in der Krise

Interview mit Prof. Dr. Erdmute Alber, Universität Bayreuth

Wie beeinflusst Corona innerfamiliären Care-Aufgaben?

Viele Befunde und Berichte deuten darauf hin, dass die Krise bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt. Dies passiert sowohl auf globaler und nationaler Ebene als auch im ganz Kleinen. Auf globaler Ebene können wir an die weltweit ungleiche Verteilung von Masken oder den ungleichen Zugang zu funktionierenden Gesundheitssystemen denken. Die Verstärkung von Ungleichheit gilt aber auch in den jeweiligen nationalen Kontexten, wo sich die Kluft zwischen „arm und reich“ sowie sozio-ökonomische Unterschiede zwischen Migrant*innen und Einheimischen, oder eben auch Männern und Frauen im Rahmen der Krise zu vertiefen scheint.

Glaubt man Presseberichten und ersten Studien, so gilt diese Verschärfung in besonderer Weise für die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Frauen, für die Fragen nach der Vereinbarkeit von Lohn- und Sorgearbeit auch sonst besonders kritisch sind, sehen sich in der momentanen Krise mit multiplen Ansprüchen konfrontiert. Sie sollen berufstätig sein, im Homeoffice arbeiten, Kinder oder andere pflegebedürftige Personen betreuen und unterrichten – und all dies über Wochen ohne institutionelle Kinderbetreuung und ohne dass familiäre oder freundschaftliche Netzwerke genutzt werden dürften. Natürlich sind auch Väter davon betroffen, aber empirisch zeigt sich doch, dass ein Großteil dieser Sorge-Arbeit von Frauen verrichtet wird. Frauen sind von der Krise also ungleich härter betroffen als Männer.

Sie beschäftigen sich auch mit Generationenbeziehungen. Wir dürfen unsere Großeltern nicht mehr besuchen, gleichzeitig entstehen neue Formen der Solidarität - Wie genau ändert sich die Beziehung zwischen den Generationen?

So pauschal kann man das nicht beantworten. Vielerorts sind in Deutschland in der Tat neue Sorgebeziehungen zwischen den Generationen entstanden. Nachbarn kaufen für ältere Mitbürger*innen ein, zugleich dürfen Enkel ihre Großeltern nicht mehr besuchen. In meinem eigenen Umfeld beobachte ich aber auch einen Digitalisierungsschub bei der älteren Generation, die plötzlich mit ihren Kindern und Enkeln digital kommuniziert.

Wichtig finde ich, dass ein neuer Diskurs der Fürsorge für die Alten entstanden ist; dass der Schutz aller in den Vordergrund gestellt wird. Dies hat sich vor einiger Zeit noch ganz anders angehört, als laut darüber nachgedacht wurde, ob Menschen über 75 noch neue Hüften bekommen sollen.

Sie haben mehrere laufende Forschungsprojekte mit dem Schwerpunkt in Westafrika. Wie kann man in Zeiten von Corona forschen?

Wir leiden derzeitig sehr darunter, nicht mehr reisen zu dürfen. Auch unsere Partner*innen in Westafrika können nicht mehr am internationalen wissenschaftlichen Austausch teilnehmen. Aber auch hier gilt, dass in der Krise auch einige Chancen liegen. Plötzlich zoomen wir regelmäßiger mit unseren Partner*innen.

Mein größtes Problem besteht derzeitig darin, den Kontakt mit jenen aufrecht zu erhalten, die nicht oder nur kaum Zugang zum Internet haben; Menschen, die nicht lesen und schreiben können oder kein Geld haben, um sich das Netz zu leisten. Auch hier gilt leider, dass bestehende Ungleichheiten durch die Krise eher größer werden. Covid 19 trifft alle; sie kann auf jede und jeden überspringen. Aber einige kommen dabei ungleich besser davon.


Verantwortlich für die Redaktion: Silke Reimann

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